Die Gedanken loslassen

Am vergangenen Wochenende stand für mich eine ausgiebige Altstadt-Tour mit ein paar guten Freunden an. Zu vorgerückter Stunde entdeckte ich an der Toilettentür eines beliebten Münsteraner Etablissements folgende Frage: Wie soll ich von etwas träumen, das mich nicht schlafen lässt? Da ich nach ein, zwei Bierchen immer besonders empfänglich für Alltagspoesie bin, ließ mich diese Frage nicht mehr los. In der angeheiterten Runde meiner Freunde fragte ich diese, was sie davon hielten.
Wenn der Kopf voll von Liebe ist
“Das kenn ich”, sagte Vicky. “Wenn ich frisch verliebt bin, dann kriege ich den Einen gar nicht aus dem Kopf. Ich bin so aufgeregt, dass ich weder essen noch schlafen kann.”
“Wenn ich wenigstens mal verliebt wäre!", seufzte Jule. “Ich habe gemerkt, dass ich mich immer häufiger frage, wann bzw. ob ich ‚den Einen‘ überhaupt irgendwann finden werde.”
“Ist mit ‚etwas‘ Sex gemeint?”, lallte Ben und fing sich einen tadelnden Blick von Vicky ein. “Ich kenne den Zustand, in dem man nicht mehr Herr seiner Sinne ist, auch. Aber ich kenne ihn ganz anders”, sagte Robin. “Ich hatte kürzlich ein Date mit einem Mädchen, das mir echt viel bedeutet.”
“Na sieh mal an!”, unterbrach ihn Ben, der sich nun einen Klaps auf den Hinterkopf einfing.
“Das Date lief zunächst richtig gut, und als sie mir von ihrem Stress in der Uni erzählte und ich einen Augenblick Zeit hatte sie zu beobachten, fiel mir auf, wie schön sie eigentlich ist.
Jule seufzte wieder.
“Aber dann habe ich mich gefragt, ob sie nicht vielleicht zu gut aussieht. Also im Vergleich zu mir, und dann habe ich mich gefragt, warum sie überhaupt mit mir abhängt und ob ich nicht doch lieber das blaue Hemd hätte anziehen sollen, und dann hörte ich, wie sie sagte: ‚Robin, hörst du mir eigentlich zu? Wo bist du gerade?‘".
Wenn der Kopf dir einen Streich spielt
Haben dich Sorgen oder Ängste um die eigene “Performance” auch schon einmal so sehr abgelenkt, dass du mit den Gedanken ganz woanders warst? Bestimmt, denn das ist völlig normal. “Es ist die Natur des Geistes sich zu verflüchtigen, besonders dann, wenn es Probleme gibt”, sagte Melanie Büttner, Ärztin am Klinikum rechts der Isar und Sexualtherapeutin, in einem Gespräch mit der Zeit. Und wer kann behaupten, in der stressigen Ausnahmesituation des ersten Dates stets völlig cool geblieben zu sein?
Denk’ jetzt nicht an den rosa Elefanten
Eben dieser rosa Elefant, den du jetzt vor Augen hast, zeigt dir, dass du Gedanken einfach nicht steuern kannst. Umso wichtiger ist es, den Zustand überhaupt zu bemerken, in dem das Licht in deinem Kopf zwar an, aber niemand zu Hause ist.
Wie man den Kopf trainiert
Aber wie holt man seinen Geist wieder in die eigenen vier Wände? Melanie Büttner rät, zunächst zu erforschen, woher die störenden Gedanken kommen. Bei Robin waren es Selbstzweifel. Aber auch Alltagsbanalitäten wie das ausgegangene Klopapier oder der Streit mit den Nachbarn können die Ursache sein. Ist diese ausgemacht, kann es ans “Eingemachte” gehen.
Hast du schon mal versucht zu meditieren? Keine Sorge, du musst jetzt kein Wochenende in einem asketischen Schweigekloster buchen. Du brauchst nur deinen Atem und fünfzehn Minuten Zeit. Bei der Meditation lernst du auf deinen Atem zu achten und dabei Gedanken kommen und gehen zu lassen, ohne darauf zu reagieren. Dabei ist die Praxis an sich - quasi der Weg - das Ziel. Ommmmh…
Noch einfacher sind sogenannte Achtsamkeitsübungen. Dabei begehst du deinen Alltag, indem du alles bewusster machst als sonst. Achtsam essen, achtsam spülen, achtsam Zähne putzen, etc.
Tipps der Redaktion
Für den Einstieg in die Praxis hilft dir ein gutes Meditations-Buch für Anfänger oder die kostenfreien Apps headspace und simple habit, mit denen sich Achtsamkeit gut und einfach einüben lässt. “Letztere wartet sogar mit ein paar Übungen für achtsameren Sex auf”, verrät Melanie Büttner.
Oder du machst es wie ich. Wenn ich bei einem Date merke, dass meine Gedanken irgendeinem Zweifel hinterherjagen, dann denke ich an eine defekte Tankanzeige. Zwar steht der Zeiger auf Null, aber der Tank ist voll. Und umgehend sitze ich wieder sicher am Lenkrad und habe die Straße im Griff.