Mein Leben ist keine Tütensuppe!

Einmal lief ich durch die Stadt und sah an einer Bushaltestelle ein Plakat. Darauf stand: „Single sein ist Tütensuppe – Die Liebe ein Candle-Light-Dinner“. Ich war schockiert von dieser Aussage und gleichzeitig hat es mich unglaublich wütend gemacht. Single-Sein wird in unserer Gesellschaft viel zu oft als eine Art weniger lebenswertes Leben dargestellt. Versteht mich nicht falsch – wenn es der sehnlichste Wunsch ist, eine romantische Beziehung zu führen und alles in einer Partnerschaft zu teilen, dann kann Single-Sein sicherlich frustrierend sein. Das möchte ich niemandem absprechen. Jedoch wird einem in der Familie, in Freundschaften und Co. häufig automatisch Mitleid entgegengebracht, nur weil man nicht in einer Beziehung ist. Doch was ist da wirklich dran? Sind Singles unzufriedener mit ihrem Leben? Und was spielt sonst noch eine Rolle für unser Glück? Gehen wir der Sache auf den Grund!
Zufriedenheit ist vielfältig
Zunächst ist zu beobachten, dass es von vielerlei Faktoren abhängt, wie zufrieden wir mit unserem Leben sind. Doch wie sieht das nun konkret mit dem Beziehungsstatus aus? Tatsächlich zeigt sich in Studien eher die Tendenz, dass vergebene oder verheiratete Personen zufriedener mit ihrem Leben sind als Singles. Allerdings gibt es hier ein paar Einschränkungen: eine Untersuchung zur Lebenszufriedenheit in Deutschland zeigte zwar, dass verheiratete Personen höhere Werte angaben, jedoch steigt die Lebenszufriedenheit nicht bei allen nach der Heirat an. Für die Zufriedenheit in der Ehe spielt beispielsweise der Bildungsstand eine große Rolle. Ist der Unterschied in den Bildungsniveaus des Paares zu groß, wirkt sich eine Heirat sogar negativ auf die Lebenszufriedenheit aus. Ein anderes Forschungsteam bezeichnete den gefundenen Effekt des Beziehungsstatus auf das subjektive Wohlbefinden sogar als fast trivial. Es scheint also durchaus wichtigere Faktoren zu geben, die uns glücklich machen. In Deutschland hat zum Beispiel die eigene Gesundheit den größten Einfluss auf die individuelle Lebenszufriedenheit. Neben Einflüssen wie dem Alter und dem Einkommen, zeigt sich darüber hinaus, dass es uns besser geht, wenn wir allgemein Vertrauen in andere Menschen haben. Und auch, wenn wir uns sozial engagieren. Wer regelmäßig ein Ehrenamt ausübt, ist zufriedener. Möglicherweise auch, weil es unserem Leben einen Sinn stiftet. Denn Menschen, die den Sinn in ihrem Leben sehen, haben ein höheres subjektives Wohlbefinden. Per se zu behaupten, dass Singles ein weniger erfülltes Leben führen, ist also absolut unangebracht. Ein glückliches Leben erfordert eben eine Vielzahl von Zutaten!
Marry your best friend
Eine weitere Form von Beziehungen dürfen wir bei der Frage nach unserem Glück nicht vernachlässigen: Freundschaften. „Freundschaft ist wie Liebe“, sagte der französische Psychoanalytiker Saverio Tomasella einmal in einem Interview. Ihm zufolge können freundschaftliche Beziehungen dieselben Eigenschaften aufweisen wie Liebesbeziehungen. Sie können genauso intim, tiefgehend und beständig sein. Ab unserer Jugend steigt die Bedeutung von Freundschaften stark an. Sie werden zu einer genauso großen Quelle für Unterstützung wie die Familie oder eine Partnerschaft. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sie sich außerdem positiv auf unsere Zufriedenheit im Leben auswirken. Auf die Anzahl der Freundschaften kommt es dabei weniger an als auf die Qualität. In einer Studie gaben Personen durchschnittlich an, drei freundschaftliche Beziehungen zu haben. Es zeigte sich, dass vor allem die Personen, die wir als „besten Freund“ oder „beste Freundin“ bezeichnen, unser Glück am meisten beeinflussen. Je enger die Freundschaft, desto größer der Einfluss auf unser Wohlbefinden.
Doch wieso machen Freundschaften glücklich? Es konnte gezeigt werden, dass dieser Zusammenhang vor allem deswegen besteht, weil diese engen Beziehungen zu der Erfüllung unserer Grundbedürfnisse beitragen. Dazu gehören zum Beispiel das Bedürfnis nach Nähe, nach Autonomie und nach Kompetenz. Enge Freundschaften bieten uns zudem eine konstante Begleitung und eine zuverlässige Vertrauensperson in unserem Leben. Und sie scheinen uns auch etwas zu geben, was eine romantische Beziehung zum Teil nicht kann: in einer britischen Umfrage gaben über 50 % der befragten Frauen an, sich ihrer besten Freundin näher zu fühlen als ihrem Partner! Der häufigste angegebene Grund dafür war, dass die Frauen mit ihrer besten Freundin über alles reden könnten. Andere Begründungen waren das Gefühl, dass die beste Freundin besser zuhört, und das Gefühl wirklich man selbst sein zu können. Diese spezielle Umfrage bezieht sich leider nur auf Freundschaften, in denen sich beide Personen mit dem weiblichen Geschlecht identifizieren. Aber den letzten Punkt bestätigt auch Tomasella ganz allgemein für Freundschaften: er sagt, wir können in Freundschaften entdecken, wer wir sind, und wir können lernen zu uns zu stehen. Freundschaften machen es uns möglich, unser Selbstbild zu erweitern. Und zu wissen, wer wir sind, klingt doch nach einer guten Grundlage, um uns selbst wertzuschätzen…
Liebe dich selbst wie deine Nächsten
Die längste Beziehung, die wir in unserem Leben führen werden, ist keine geringere als die zu uns selbst. Was könnte also wichtiger sein als diese Beziehung zu stärken? Wir gelangen zum Stichwort Selbstliebe: Diese hat nichts mit Egoismus oder gar Narzissmus zu tun, wie oft angenommen wird. Wir müssen uns nicht für die tollste Person auf diesem Planeten halten. Vielmehr bedeutet Selbstliebe sich in die Liebe, die man für andere empfindet, mit einzubeziehen und sich selbst das gleiche Maß an Wertschätzung entgegenzubringen wie seinen Nächsten. Auch Selbstmitgefühl und Selbstwertgefühl sind Aspekte der Selbstliebe. Selbstmitgefühl ist zu unterscheiden vom Selbstmitleid und heißt zum Beispiel, sich selbst Verständnis für die eigene Situation entgegenzubringen und nicht zu hart mit sich ins Gericht zu gehen.
Und auch hier zeigt sich: wer eine gute Beziehung zu sich selbst hat, ist zufriedener. Eine Studie ergibt, dass insbesondere das eigene Selbstwertgefühl einen starken Einfluss auf unser Wohlbefinden ausübt. Wer ist schon glücklich, wenn man sich den ganzen Tag selbst kritisiert? Schließlich verbringen wir dann 24 Stunden mit einem Menschen, den wir gar nicht so wirklich mögen. Das wiederum wirkt sich auch auf unsere Beziehungen aus. Die Diplom-Psychologin Dr. Doris Wolf schreibt, dass Selbstliebe die Voraussetzung für eine gut funktionierende Liebesbeziehung darstellt. Denn wer sich selbst ablehnt, erwartet oft die Liebe in der Partnerschaft zu bekommen, die man sich selbst nicht geben kann. Schnell führen kleine Kritiken zu dem Gefühl, nicht genug geliebt zu werden. Das endet oft in Konflikten. Mal ehrlich: wollen wir diese große Verantwortung jemand anderem geben?
Auch der Psychoanalytiker Erich Fromm vermutete schon früh, dass unsere Einstellung gegenüber anderen und die gegenüber uns selbst parallel verlaufen. Wer also sich selbst liebt, ist auch dazu fähig, andere zu lieben. Einen möglichen Grund für diesen Zusammenhang lieferte eine Untersuchung zum Selbstmitgefühl. Es zeigte sich, dass Personen mit viel Selbstmitgefühl ihre eigenen Fehler besser akzeptieren können. Im nächsten Schritt führt dies auch zu mehr Akzeptanz von Makeln in romantischen Beziehungen. Wir bringen der Person, die wir lieben, mehr Verständnis für ihre Fehler entgegen. Gut zu sich selbst zu sein macht also glücklich und gründet eine Basis für funktionierende Beziehungen.
Wir lernen also: Single sein bedeutet nicht ein weniger wertvolles und erfülltes Leben zu führen. Unser Glück hängt von so vielen anderen Umständen und Beziehungen ab! Also lass dir nichts von mitleidigen Kommentaren einreden. Tu dir heute was Gutes, feier’ deine Freundschaften oder dass du gesund bist oder deinen tollen Job oder… Und wenn sich dann doch noch etwas in Sachen Liebe tut, ist das nur noch das Sahnehäubchen auf deiner Gourmet-Suppe namens Leben!