Singles haben es jetzt besonders schwer
In meinem Freundeskreis ziehen sich gerade alle Paare in ihr wohliges Zuhause zurück und harren aus, emotional irgendwo zwischen Schockstarre und Gelassenheit, sie fahren ihr Leben auf ein Minimum herunter und - vor allem - kuscheln sich zu zweit ein oder gehen auf ausgiebige Spaziergänge. Schön für sie, denke ich mir, denn ich bin Single. Ich hocke alleine daheim und habe niemanden, der sich mit mir in unserer gemeinsamen Höhle einkuscheln möchte. Dank verordnetem Homeoffice an meinem Arbeitsplatz komme ich nur noch aus dem Haus zum Einkaufen, was ich mittlerweile täglich mache, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt.
Doch ich bin mit meinen Gefühlen und mit dieser Situation nicht alleine. So wie mir geht es tausenden Singles da draußen, die auf der Suche nach der nächsten Beziehung oder gar großen Liebe plötzlich vor Problemen stehen, die es noch nie gab. Das öffentliche Leben ist heruntergefahren, man kommt nicht mehr unter Leute. Man will sich gar nicht mit jemandem treffen und ist ehrlich gesagt auch gar nicht in der Stimmung auf ein Date mit einem noch fremden Menschen. Und selbst wenn: Die Kneipen und Restaurants haben geschlossen.
Also verfalle ich in Depressionen und muss einsam und alleine in meiner Wohnung verharren, bis - ja, wann eigentlich - die Krise vorbei ist? Muss ich meine schwankende Stimmung ertragen, die aufgrund der unsicheren Situation stark pendelt zwischen der Lust auf entspannte Leseabende auf meinem gemütlichen Sofa und dunklen Gefühlen der Einsamkeit, die mich nachts in den Schlaf heulen lassen?
Nein, muss ich nicht. Ich habe für mich eine Antwort gefunden, die mich im Moment sehr entspannt und zuversichtlich macht. Ich kann die Krise nicht beenden, also akzeptiere ich die Situation so wie sie ist und versuche das Beste daraus zu machen. Während andere sich an ihrer Zweisamkeit erfreuen (und sich hoffentlich zwischendurch auch mal ordentlich auf die Nerven gehen), nutze ich mein Alleinsein und wandle es in eine neu gewonnene Freiheit um, mit der ich richtig viel anfangen kann. Es gibt nämlich zwei Dinge, die feststehen und an die ich glaube. Erstens, die Krise dauert nicht ewig, irgendwann hat dieser Zustand ein Ende. Und zweitens, das alles wird sich wahrscheinlich nie wiederholen, es ist einzigartig.
Mit diesen Gedanken spüre ich eine Entschleunigung, die mich endlich besser fühlen lässt. Ich werde erinnert an eine Reise mit einem Segelboot vor ein paar Jahren: Irgendwann wird man ankommen, wieder festen Boden unter den Füßen und einen Alltag haben. Aber bis dahin ist der Lebensraum, die Ressourcen, die Menschen um einen herum begrenzt - ja sogar gewollt begrenzt - und man hat unendlich viel Zeit für wichtige Dinge. Diese Phase genieße ich nun, ganz für mich allein. Es ist eine Auszeit, die mir guttut, weil ich mich auf mich konzentrieren und daran wachsen kann.
Und was meiner Seele gefällt, ist auch gut für’s Dating, denn mein Wunsch nach einer neuen Beziehung ist kleiner geworden, ich bin weniger fixiert darauf, jemand Neues kennenzulernen.
Trotzdem darf ich es, denn Onlinedating ist in diesen Zeiten die sichere Alternative, wenn unter Leute gehen nicht mehr möglich ist. Dass man sich erst einmal nicht treffen kann, macht gar nichts, denn dadurch kann man die Chance nutzen, sich richtig kennenzulernen. Mit geschriebenen Worten und am Telefon. Ganz authentisch und ohne sich verstellen zu müssen, wie man es draußen doch so oft macht. Nicht ohne Grund führen Paare, die sich online kennengelernt haben, im Schnitt die längeren Beziehungen.
Übrigens, wäre es nicht auch ein bisschen romantisch, irgendwann erzählen zu können, wo und wann man sich kennengelernt hat? In diesen epidemischen, krisenhaften, aber doch auch einzigartigen Zeiten…
