Liebe(r nicht) auf Distanz?

Ein Job in einer anderen Stadt, das Studium an zwei verschiedenen Orten, ein Auslandsaufenthalt oder ein Beruf, der viele Reisen mit sich bringt. Fernbeziehungen können viele Ursachen haben und individuelle Formen annehmen. Gerade, wenn man noch nicht sesshaft werden möchte und in Zeiten des Online-Datings sind sie keine Ausnahme mehr. Über die Hälfte der in Deutschland befragten Personen geben an, bereits eine Fernbeziehung geführt zu haben. 13 % führen zu diesem Zeitpunkt eine Partnerschaft auf Distanz, der Großteil dabei innerhalb Deutschlands.
Vielleicht hast auch du gerade jemanden kennengelernt, alles stimmt soweit, nur würde eure Liebe auf eine Fernbeziehung hinauslaufen. Vielleicht hörst du überall, dass Fernbeziehungen sowieso zum Scheitern verurteilt sind und fragst dich, ob ihr dieses Abenteuer wirklich eingehen solltet. Vielleicht machst du dir Sorgen darüber, ob ihr wirklich glücklich werdet. Ich möchte dir in diesem Artikel erzählen, weshalb Fernbeziehungen sich lohnen können und dir Mut machen, dich nicht direkt von der Distanz abschrecken zu lassen.
„Fernbeziehungen funktionieren sowieso nicht!“
Dieses Vorurteil hält sich in unserer Gesellschaft leider recht hartnäckig. Was da tatsächlich dran ist, haben verschiedene Forschungsteams untersucht. Zunächst zeigt sich, dass Fernbeziehungen nicht häufiger beendet werden als andere Beziehungen. Sich seltener zu sehen ist also nicht automatisch damit verbunden, dass man seine Entscheidung für eine Beziehung auf Distanz wieder rückgängig macht. Teilweise lässt sich sogar die Tendenz finden, dass Fernbeziehungen weniger oft beendet werden. Möglicherweise liegt das auch daran, dass diese Form der Partnerschaft oft nicht leichtsinnig eingegangen wird, sondern nur dann, wenn man sich ganz sicher ist.
Darüber hinaus berichten Studien, dass Fernbeziehungen nicht weniger zufrieden machen. Das Maß an Vertrauen und Verbundenheit in der Beziehung ist genauso hoch wie in anderen Partnerschaften. Genauso ist es bei der Intimität, sowohl in emotionaler, als auch in sexueller Hinsicht. Wie oft Paare sich sehen, sagt also nicht allein vorher wie zufrieden sie in ihrer Beziehung sind. Aber welche Faktoren spielen dann eine Rolle? Auf der einen Seite sind es objektive Einflüsse wie die Entfernung der Liebenden voneinander. Überraschend ist, dass Personen in Fernbeziehungen mehr Intimität, eine höhere Zufriedenheit und bessere Kommunikation erleben, je größer die Distanz ist.
Auf der anderen Seite ist es aber vor allem das subjektive Erleben, was das Wohlbefinden in der Beziehung beeinflusst. Bist du dir beispielsweise sehr sicher, dass ihr in eurer Partnerschaft eines Tages zusammenleben werdet, so bist du auch zufriedener mit dieser. Die Nachteile der Fernbeziehung sind mit einer gewissen Sicherheit in der Partnerschaft besser „auszuhalten“. Es ist demnach ratsam, sich darüber auszutauschen, wie die gemeinsame Zukunft wohl aussehen wird und solange die Distanz zu akzeptieren – denn sie hat ja meist gute Gründe.
Eine Beziehung mit gewissen Vorzügen
Nicht nur, dass Fernbeziehungen nicht schlechter sind als Beziehungen ohne Distanz – sie haben sogar einige Vorteile. Ganz offensichtlich bieten sie die Möglichkeit, sich beruflich ganz frei nach den eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Das ist ja häufig auch der Grund, weshalb Paare in verschiedenen Städten leben. Auch privat bleibt mehr Zeit für Freunde oder Hobbys. Eine Fernbeziehung erlaubt es uns, autonom zu leben und uns selbst zu verwirklichen.
In einer Untersuchung wurden Studierende dazu befragt, welche Fähigkeiten sie innerhalb ihrer Fernbeziehung erlernt hatten. Viele gaben an, für sich ein besseres Zeitmanagement und eine größere Unabhängigkeit erlernt zu haben. Aber auch auf die Beziehung an sich kann sich die Distanz positiv auswirken. Zum Beispiel entwickeln viele Paare eine bessere Kommunikation, sowohl verbal als auch in Form von Textnachrichten. Einige stärken durch das Reden über Probleme des Alltags, Zukunftsvorstellungen und die eigene Beziehung ihre Verbindung zueinander. Die verschiedenen Arten der Kommunikation (z. B. face-to-face, Video-Calls, Telefon…) beeinflussen zudem laut Studien noch einen ganz anderen Aspekt von Beziehungen: Langeweile.
Es klingt zunächst hart, aber es ist nunmal so, dass man sich nach einer Zeit in der Partnerschaft aneinander gewöhnt. Gerade, wenn man zusammenlebt, schleicht sich der Alltag in die Beziehung. Man verbringt die Abende immer ähnlich, sieht dieselben Menschen, kocht oft dasselbe und übt allgemein einfach nicht so viele neue Aktivitäten aus. So entsteht langsam eine Art Langeweile in der Beziehung, welche sich negativ auf die Zufriedenheit auswirken kann. Bei Fernbeziehungen ist das anders, denn das beste Mittel gegen diesen Gewöhnungsprozess ist Abwechslung. Schon fast automatisch variiert, wie gesagt, das Mittel der Kommunikation.
Darüber hinaus überlegen sich Paare in Fernbeziehungen häufig auch, wie sie die gemeinsam verbrachte Zeit besonders gestalten können. Dabei greifen sie häufiger zu aufregenden und neuen Unternehmungen. Außerdem wissen sie einander und die gemeinsame Zeit oft mehr zu schätzen als Paare, sie sich öfter sehen. All dies verlangsamt den Prozess der Gewöhnung und schützt vor Langeweile. Eine neue Beziehung auf Distanz ist also nicht nur wegen der ersten Schmetterlinge im Bauch aufregend – sie bleibt es oft auch noch lange!
Du fehlst mir so!
Langweilig wird es mit so einer Fernbeziehung also nicht so schnell. Das ist schön und gut, aber Hand aufs Herz: es gibt eben auch die Momente, in denen man einander einfach nur vermisst und so schnell wie möglich wieder zusammen sein möchte. Um diese Zeit zu überbrücken, muss man sich dann ein Paar Dinge überlegen, um diese so angenehm wie möglich zu gestalten. Wie in anderen Formen von Partnerschaft auch ist es wichtig, sich bewusst Zeit füreinander zu nehmen. Die üblichen Textnachrichten hin- und herzuschicken kann schön sein, sich aber gleichzeitig bei einem Telefonat die Zeit füreinander zu nehmen, fühlt sich nochmal näher an.
Man weiß, das Gegenüber hört zu und kann sofort auf mich eingehen. Gerade wenn es schwierige Themen zu bereden gibt, kann das einfacher sein. Wem die Stimme seines oder seiner Liebsten nicht ausreicht, kann sich auch für einen Video-Call miteinander verabreden. Hier kann man beispielsweise auch ein romantisches Dinner mit Wein und Kerzen draus machen.
Oder wie wär’s mal mit einer Foto-Präsentation über die vergangenen Tage, um seinen Liebling auf den neusten Stand zu bringen? Wer es lieber ganz klassisch mag, kann sich Stift und Papier schnappen und den guten alten Liebesbrief verfassen. Was gibt es Schöneres als in einem handgeschriebenen Brief zu lesen, wie sehr man vermisst wird und aus welchen zahlreichen Gründen man geliebt wird?
Oder man konzentriert sich gemeinsam auf das nächste Wiedersehen! Es gibt Apps für Paare in Fernbeziehungen, in denen man zusammen einen Kalender anlegen kann, um auch schon Ideen dafür zu sammeln, was man beim nächsten Treffen unternehmen möchte. Manche Apps bieten auch einen Countdown an, der bis zum nächsten Wiedersehen runterzählt. Und auch für diejenigen, die in puncto Kommunikation vielleicht noch Anregungen brauchen, gibt es Angebote: Apps, die einem Gesprächsthemen vorschlagen oder wie wär’s denn mit den 36 Fragen zum Verlieben?
Die körperliche Nähe zu ersetzen stellt natürlich eine besondere Herausforderung dar. Meist muss man diese für das nächste Treffen aufsparen und sich auf die emotionale Intimität konzentrieren. Wer aber zumindest einen kleinen Trost braucht, findet auch hier die passende App. Einige Pärchen-Messenger bieten sogenannte Thumbkisses an. Legt ihr beide gleichzeitig eure Daumen auf den Bildschirm, beginnen eure Handys zu vibrieren. Nicht dasselbe wie eine Umarmung, aber zumindest ein kurzer Moment der Verbundenheit – auch im körperlichen Sinne. Und wenn ihr euch gegenseitig einfach nur vermisst, könnt ihr euch zumindest zeigen, dass ihr aneinander denkt: mittlerweile gibt es sogar „Pärchen-Lampen“, die ihr über eine App bedienen könnt. Vermisst du deinen Schatz, kannst du einfach seine oder ihre kleine Lampe anschalten oder dich andersrum darüber freuen, wenn dein Licht aufleuchtet. Mal eine andere Art sich zu zeigen, dass man aneinander denkt und doch irgendwie romantisch.
Die deutlich kostengünstigere Variante bieten hier wieder Apps, bei denen man nur auf einen „Miss you“ Button klicken muss und dein Liebling bekommt eine Benachrichtigung. Die digitale Welt bietet also einige Möglichkeiten, um die getrennt verbrachte Zeit angenehmer und doch miteinander verbunden zu gestalten.
Wir sehen also, Fernbeziehungen sind nicht per se zum Scheitern verurteilt, sondern bieten sogar einige Pluspunkte, die es in anderen Formen von Beziehungen nicht unbedingt gibt. Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig Mut machen, auch eine Liebe auf Distanz in Erwägung zu ziehen. Vielleicht traut ihr es euch ja gemeinsam, das Abenteuer Fernbeziehung in Angriff zu nehmen. Denn manche Personen sind es einfach wert, auch mal auf sie zu warten…