Von der Kunst der Zeicheninterpretation

Schon aus dem darstellenden Spiel im Schulunterricht nahm ich mit, dass jede noch so minimale Gestik und Mimik dem Gegenüber ganz spezifische Signale sendet. Verirrte Augenbewegungen während eines Gesprächs entlarven beispielsweise Lügen, heruntergelassene Schultern Erschöpfung oder Schüchternheit. Selbst wenn ich diese Schulstunden damals mit Bravour meisterte, interpretiere ich heute die unmöglichsten Dinge in sprachliche Mitteilungen oder körperliche Bewegungen hinein. Insbesondere uns Mädchen gelingen diese Überinterpretation ganz phänomenal, und das insbesondere in der Liebe.
Über den Mangel von Liebestests
In Zeitschriften gibt es genug Artikel über jene menschlichen Zeichen, aus denen sich Zuneigung interpretieren lassen. Recht simpel aufgebaute Tests verraten allen Unwissenden, ob ihr heimlicher Schwarm sie mag, liebt oder gar anhimmelt. Stimmt der Blickkontakt, kommt es zu sanften Berührungen, hört das Telefon nicht mehr auf zu klingeln? Sind diese Fragen einheitlich bejaht worden, stünde der Liebe laut zahlreicher Checklisten nichts mehr im Wege. Doch so einfach lässt sich Zuneigung nicht berechnen. Natürlich haben diese Artikel nicht unrecht damit, dass Liebe sich besonders durch eine hohe Intimität oder kleine Aufmerksamkeiten äußert. Nur lässt sich das nicht verallgemeinern. Es gibt hie und da Ausnahmen, was die Veräußerung von Liebeszeichen anbelangt und ihre Interpretation erschwert.
Wenn keine eindeutigen Zeichen erkennbar sind…
So können einige ihre Zuneigung schlicht und ergreifend weder sprachlich noch körperlich zeigen. Entweder sind sie schüchtern, wortkarg oder gehemmt. Ein abweisender Blick oder nicht dieselbe entgegengebrachte Aufmerksamkeit werden schnell in ein negatives Licht gerückt. Dabei ist er oder sie einfach nur unbeholfen in dem Ausdruck von Zuneigung, Liebe etc. Und dort, wo letztlich keinerlei Zeichen sind, lässt sich auch nichts interpretieren. In solchen Fällen versagen besagte Tests. Gespräche mit dem besten Kumpel oder der liebsten Freundin könnten Abhilfe schaffen. Wenn die beste Freundin sich beispielsweise selbst als relativ schüchtern in Sachen Zuneigung betrachtet, kann sie durch eigene Erfahrungen und einer anderen Sichtweise der eigenen Liebe noch eine Chance geben.
Von der Gefahr, Dinge zu überinterpretieren
Andersherum können Zeichen auch überinterpretiert werden. Ein Kusszeichen wird vom Empfänger schon mal schnell als Liebesgeständnis aufgefasst. Dabei wurde dieser Smiley vielleicht nur aus der Euphorie heraus getippt. Und durch den Umstand, dass das Gegenüber weniger oft zu Geständnissen wie „Ich mag dich“ greift, folgt daraus nicht konsequent eine geringere Zuneigung. In diesem Fall greift vermutlich eher die Handlungsinitiative durch, als der richtige Umgang mit Worten.
Vertrau auf deine Intuition
Zeichen in einem angemessenen Maß zu interpretieren, ist eine Kunst. Tests und Erfahrungen vom Bekanntenkreis können auf die Sprünge helfen. Letztlich ist es die eigene Intuition, die Zuneigung und Liebe enttarnt.
Vielleicht tut er dieses und jenes nicht, von dem zu viel und von dem anderen zu wenig. Doch ich bin überzeugt davon, dass er mich trotzdem mag. Das verrät mir meine Intuition. In diesem rätselhaften Lebensbereich wird mit dem Herz entschieden, nicht mit dem Verstand.